Ein „Lebenszeichen“ für Vertriebene
Nur gut zwei Flugstunden von uns ist der Krieg in Europa entfernt. Für die Menschen sind es oft mehrere Tage der Flucht und Bedrohung, bis sie in Sicherheit sind. Oft haben sie nur ihr eigenes Leben gerettet. In Trümmern liegt das, was vor wenigen Wochen noch ihre Heimat und ihr Leben war. Natürlich wollen wir diesen Menschen helfen, die alles verloren haben und oft nicht wissen, wie es weitergeht. Es ist humanitärer Auftrag, diesen Menschen Heim und Heimat zu geben; natürlich auch christlicher.
In der Nacht zum 20. März 2022 kamen die ersten Menschen an: todmüde aber froh, eine Bleibe zu finden. Das Haus für die Vertriebenen vorzubereiten, geschah schon am Nachmittag. Viel Zeit blieb nicht – aber die Vorbereitung und den Empfang mussten wir in St. Antonius nicht alleine organisieren, Eine Familie aus St. Joseph brachte sich wunderbar ein, kaufte Essen, empfing die Menschen (besser gesagt: holte sie nachts von der Autobahn ab) und war einfach für die Ost-Ukrainer Ansprechpartner. Sprachbarrieren gibt es nicht. Ausgerüstet mit modernen Übersetzung-Apps unterhielten sich die Handys der Ukrainer und ihrer Gastgeber, wie Pater Michael es beschrieb. Die ukrainischen Kinder machten mit dem Spielzeug aus dem Schuppen des Jugendhauses sowie diversen Fahrzeugen auf dem Hof das, was Kinder eigentlich immer machen können müssten: ihre Welt erkunden, eine Welt ohne Krieg und Zerstörung. Während kleine Traktoren, Ketcars oder Bikez-racer ihre Runden drehten und den Kindern ein wenig Unbeschwertheit zurückgab, mussten die Erwachsenen noch organisieren: etwas zu essen, damit die Gäste übers Wochenende kamen und Waschgelegenheiten für ihre Kleidung. Schon einen Tag nach ihrer Ankunft spendete ein Antonius-Gemeindemitglied eine Waschmaschine, die dann schnell im Jugendhaus angeschlossen werden konnte. Wie praktisch, dass ein Ukrainer den Beruf des Klempners hatte. So machte er kleinere Umbauten an den Anschlüssen gleich selber. Nach dem Wochenende zeigte die Familie aus St. Joseph den Neuen, wie sie in die Stadt kommen, wo es kostenlose Handy-Sim-Karten gibt und so weiter. Gerade Kommunikation ist so wichtig für unsere Gäste.
Dank unseres Jugendhauses – das schon 2015 Flüchtlingen (vorübergehend) Heimat geben konnte – und der Spontanität von Gemeindemitgliedern aus St. Antonius und St. Joseph war es der Pfarrei Heilige Mutter Teresa Chemnitz möglich, schnell und unkompliziert unseren christlichen Auftrag zu erfüllen, den Nächsten aus der Not zu holen und für ihn da zu sein. Wie schön und wichtig, dass es so ein Haus in unserer Pfarrei gibt – ein Haus, hinter dem auch die Gemeinde St. Antonius steht! Gerade jetzt bekomme ich immer wieder Fragen und Hilfsangebote, für die Menschen, denen nicht nur Bett, Tisch, Schrank gegeben werden soll sondern auch die Zusicherung: Ihr seid willkommen! Wir sind für euch da und stehen eure schlimme Situation gemeinsam durch. Wollen wir hoffen und beten, dass Vernunft den Krieg beenden kann und die Menschen wieder ein Leben finden, was nicht nur ertragen werden muss sondern auch wieder lebenswert sein darf und kann. Vielleicht gelingt es hier am Stadtrand von Chemnitz, den Familien inzwischen etwas Ruhe und auch Zuversicht zu geben.
Text: Henning Leisterer