1. Station
Jesus wird zum Tode verurteilt – von einem wütenden Mob ausgeliefert, einen Richter treffend, der zwar keine Schuld erkennen kann, sich aber der Masse beugt und so Unrecht spricht.
Hilde Banjamin
Hilde Benjamin: Juristin. Nach dem Volksaufstand 1953 war sie 14 Jahre lang Justizministerin der DDR. Ihre Spitznamen waren nicht schmeichelhaft: „rote Hilde“, „blutige Hilde“ oder „rote Guillotine“. Hilde Benjamin kannte keine Gnade. Sie hat verurteilt: hart, unnachgiebig. Benjamin fällte von 1949 bis 1953, neben Zuchthausstrafen von insgesamt 550 Jahren und 15-mal lebenslänglich, zwei Todesurteile. Sie setzte sich gegen die Abschaffung der Todesstrafe ein. Manche verglichen sie mit dem Nazi-Richter Roland Freisler. Hilde Benjamin verurteilte Menschen – nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien, sondern despotisch. Warum verurteilte sie so hart? Standen ihre erlebten Verletzungen dahinter? Sie hatte als Kommunistin in der Nazi-Zeit Berufsverbot, ihr Mann starb im KZ. Wir wissen es nicht.
Wir waschen unsere Hände in Unschuld. Wir haben niemanden zum Tode verurteilt, auch keinem die Freiheit genommen. Wir glauben: gerecht zu urteilen, nicht so brutal, wie diese Juristin. Nein, niemals würden wir zu solcher Härte fähig sein, denn wir sind zivilisiert, kennen den Wertecodex und wissen über das hohe Gut einer rechtsstaatlichen Justiz.
Waschen wir unsere Hände in Unschuld:
wenn wir Menschen nach ihrem Äußeren be- und verurteilen, nach ihrer Herkunft,
wenn wir ohne Kenntnis Gerichtsurteile als zu mild kommentieren,
unser Rechtsempfinden über die Gerechtigkeit stellen,
oder anderen absprechen, recht zu haben, weil es uns nicht gefällt?
wenn wir ohne Kenntnis Gerichtsurteile als zu mild kommentieren,
unser Rechtsempfinden über die Gerechtigkeit stellen,
oder anderen absprechen, recht zu haben, weil es uns nicht gefällt?
Waschen wir unsere Hände in Unschuld?
Foto: Deutsche Fotothek – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fotothek_df_pk_0000213_012.jpg