Was für ein buntes Bild: Blumen, die Sonne lacht und in der Mitte ist unsere St.-Antonius-Kirche, die viele Gemeindemitglieder gerade jetzt so vermissen – weil die Türen geschlossen sind. Wenn man das Bild genauer ansieht, findet man unter den bunten Strichen und Linien abgebranntes Papier auf Steinen liegend mit einem grünen Kreuz in der Mitte. Viele kennen das Motiv vom Kreuzweg für Kinder, den die Jugend Jahr für Jahr gestaltet und im Pfarrsaal betet. Diesmal versammelten sich die Beter vor Monitoren oder Smartphones und betrachteten die Leidens-Stationen Jesu: jeder in seinem Wohnumfeld – genauso, wie es von den Behörden gefordert wurde. Und doch entstand dieses Bild als ein gemeinschaftliches Werk, das die eigene Wohnung überwinden konnte. In der Konferenz-Schaltung gab es die Möglichkeit, zu malen. Die Jugend schaltete diese Funktionen am Ende des Kreuzweges frei und immer mehr Kinder haben sich von zu Hause aus daran beteiligt. Wir – in dem Falle die Kinder/Jugendlichen – waren zusammen und zeichneten dieses gemeinsame Werk als ein Bild der Hoffnung für Ostern. Das angekokelte Papier mit dem Kreuz ist übermalt – ja, fast verschwunden, bunte Farben der Hoffnung, des Optimismus drängen in den Vordergrund. Noch sitzen wir zu Hause, befolgen den Rat unseres Bischofs, keine Versammlungen abzuhalten. Aber wir sind schon einen Schritt weiter: gedanklich. Karfreitag ist überwunden: der Schock (die Kirchen sind zu), das Leugnen (nein, das machen die nicht wirklich, das geht gar nicht); der Zorn (auf den Virus), das Verhandeln (die vielen Anrufe im Pfarramt, ob es doch einen Gottesdienst gibt), die Depression (wie sollen wir nur ein Ostern haben, wenn alles zu ist. Wie sinnlos, das Ostern 2020) und schließlich die Akzeptanz (dann ist es eben so und wir müssen das Beste daraus machen) – zusammengefasst: die fünf Phasen der Trauer. Karfreitag ist überwunden. Halleluja: Ostern ist gekommen und es ist ein wunderschönes Ostern: anders, aber wunderschön. Wir waren in St. Antonius kreativ, haben Möglichkeiten gefunden, online Gemeinschaft zu halten und dabei die Mitchristen, die offline sind, nicht vergessen. Wir haben gemerkt, wie wichtig wir uns und unser Miteinander sind, ja, wie wertvoll eine Heilige Messe ist, die durch das Nichtfeiern-Können aus der Routine herausgeholt wurde und wieder einen neuen Wert bekommt. Wir freuen uns aufeinander, wenn wir gemeinsam in den uns so vertrauten Bänken sitzen und uns den Friedensgruß wieder mit Handschlag geben können. Ja, wir. Wir, wir, wir. Es geht um uns, um Beziehungen, Miteinander und Füreinander. Der Verzicht in der Fastenzeit war mehr, als das Bier im Keller lassen, es war (eigentlich unvorstellbar!) Verzicht auf Gottesdienst – was für eine harte Fastenzeit. Halleluja: Ostern ist gekommen und es ist ein wunderschönes Ostern. Noch ein paar Trage oder Wochen müssen wir zu Hause hocken – ein Ende ist bereits in Sicht und dann gehen wir freudig und gestärkt in unsere Kirche, in dem Bewusstsein, wir haben uns gegenseitig getragen, Gemeinschaft gehabt, und dabei erfahren, wie wir uns doch brauchen … und natürlich den auferstanden Christus. Davon zeugt dieses tolle Bild. Man kann unsere Situation auch wunderbar in Worte fassen, in Worte, die schon 1806 verfasst wurden aber so aktuell ins Jahr 2020 passen, als hätte Goethe sie heute geschrieben:
„Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.“
Ja, wir sind selber auferstanden aus den krisenbedingten Einschränkungen und dem damit verbundenen Frust, indem wir in dieser Zeit als Gemeinde und Gemeinschaft kreativ zusammen waren … uns gesucht und gefunden haben, der Enge der Kontaktsperre in den eigenen vier Wänden entkommen sind und unserer Gemeinde Licht und Wärme gegeben haben – mit einem großen Herzen. So brennen wir die Osterkerzen an und rufen fröhlich: Halleluja, der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!
Text: Henning Leisterer