Schnipsel: Geschichten hinter Geschichte Download
Ungeordnet wie Schnipsel, die man immer mal findet, kann man hier die kleinen Dinge entdecken: Namen, Personen, Orte. Dicht beisammen und doch durcheinander, liegen Marginalien des Gemeindelebens neben Wichtigem, gute Tage von St. Antonius neben dunklen Nächten, begegnen uns Menschen (wieder), ohne die wir heute nicht hier unseren Glauben leben könnten. Schnipsel. Hier sollen sie gesammelt werden und die Geschichte etwas greifbarer machen, durch die Geschichten.
Der Architekt unserer Kirche
hieß Willy Schönefeld (1885-1963). Schönefeld (in Köln geboren) war eine feste Größe, wenn es um Architektur in Chemnitz ging. So ist das Kunstgewerbehaus (neben dem Contiloch) ebenso von ihm, wie die ehemaligen Astra-Werke (heute Regierungspräsidium), das Cammann-Hochhaus in Chemnitz-Furth oder die Kirche St. Nepomuk, die Motorradfabrik in Zschopau, die Wohnsiedlung Eisenweg ...
Das Bild (es wurde mir freundlicherweise von der Gemeinde St. Nepomuk (Propstei) zur Verfügung gestellt), zeigt den Architekten im Jahre 1957. Er besuchte damals gemeinsam mit Propst Fischer unsere Gemeinde.
Das Bild (es wurde mir freundlicherweise von der Gemeinde St. Nepomuk (Propstei) zur Verfügung gestellt), zeigt den Architekten im Jahre 1957. Er besuchte damals gemeinsam mit Propst Fischer unsere Gemeinde.
Hausgeistliche
betreuten von 1922 bis 1927 im jetzigen Pfarrhaus das Kinderheim und die katholische Schule. Dabei übernahmen sie auch Seelsorgsaufgaben für die Altchemnitzer Katholiken, ohne jedoch ein Pfarramt zu betreuen. Von den Hausgeistlichen ist leider nur wenig bekannt, meist nur die Namen. Doch von Joseph Röthlin gibt es sogar ein Bild. Er, ein Priester aus der Diözese Chur (Schweiz) versuchte, in Altchemnitz eine Kirche zu bauen. Doch die wirtschaftlichen Zeiten waren schlecht. Röthlin unternahm sogar eine Bettelreise nach Südamerika für den Kirchbau. Leider erfolglos. Am 1.1.1926 starb er in Chemnitz. Sein Nachfolger, Joseph Tanno, auch ein Schweizer Priester, war nur ein Jahr lang Hausgeistlicher, bevor er aus Gesundheitsgründen aufhören musste.
Die Aufnahme ist in der Zeit um 1924/1925 entstanden. Röthlin steht in einer Gruppe von (vermutlich) Heimkindern.
"Prima missa"
(lat.) bedeutet: "erste Messe". Eine Primiz in der Heimatgemeinde ist etwas ganz Besonderes. Denn wo sollen Priester herkommen, wenn nicht Menschen in den Kirchgemeinden ihre Berufung erkennen und diesen Weg gehen? In St. Antonius feierte am 29. Juni 1969 Pfarrer Heinrich Bohaboj seine erste Messe in der Heimatgemeinde. Heinrich Bohabojs Weg führte ihn als Kaplan nach Zwickau, Ostritz, Meißen und Karl-Marx-Stadt. Dann leitete er Pfarreien in Karl-Marx-Stadt, Meißen und Wilsdruff. Bevor er in den Ruhestand ging, war er Dekan in Meißen und geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde. Pfarrer Bohabojs Primiz im Jahre 1969 wird selbstverständlich in der überarbeiteten Chronik Erwähnung finden. Pfarrer Bohaboj zelebriert die Heilige Messe in St. Antonius. Ihm zur Seite stehen Richard Krieglsteiner (li.), damals amtierender Gemeindepfarrer und Bernhard Toddenrodt (Krieglsteiners Vorgänger und von 1966 an Pfarrer im Ruhestand).
Ausländische Zwangsarbeiter
(in der Mehrzahl Belgier und Franzosen) feierten von 1942 bis 1944 in St. Antonius die Heilige Messe. Die Gottesdienste hielt ab 1942 der junge Vikar Vignon. Jaques Vignon arbeitete in der „Auto-Union" als Gewindeprüfer und betreute die Christen trotz einer immer drohenden Gefahr der Verhaftung. Anfang 1944 nahmen ihn die Nazis tatsächlich in Haft und schoben Vignon nach Frankreich ab, wo bis August 1944 das hitlerfreundliche Vichy-Regime unter Marschall Pétain herrschte. Nun verloren sich die Spuren dieses jungen Priesters (auch in der Gemeindechronik). Dann hatte ich das große Glück, von einem Gemeindemitglied Informationen und sogar ein Bild des Vikars zu bekommen. Es zeigt ihn im Jahre 1961. Vignon hat also die schwere Zeit überstanden und lebte als Pfarrer in Lyon. In einer Widmung an das Gemeindeglied schrieb er unter das Bild:
„An Herrn L.W. und seine Familie, Erinnernd eines Freundes der schlechten Tage, dem sie diese Tage zu guten gemacht haben! - Vignon"
„An Herrn L.W. und seine Familie, Erinnernd eines Freundes der schlechten Tage, dem sie diese Tage zu guten gemacht haben! - Vignon"
Die Biene Maja
Was hat sie mit unserer Kirchweih zu tun? Beim Durchsehen der alten Dokumente ist mir ein Programm zur "Kirchweihfeier und Saal-Einweihung" in die Hände gerutscht. Da der Saal drei Wochen nach Benediktion unserer Kirche eingeweiht wurde, zog man beide Feste zusammen und feierte in Gemeinde am 11. November 1934. Neben einer Andacht, der Gemeindevereinsversammlung, einer Festmusik (Largo von G. F. Händel), sang die Gemeinde u. a. das Lied "Ein Haus voll Glorie schauet". Nun durfte jeder, der sprechen wollte dies kurz tun. Nach einer Pause wurde der Film "Die Biene Maja" in 4 Akten gezeigt. Gemäß meiner Recherche im Internet (www.cinefest.de), muss es sich um den Stummfilm von 1924 gehandelt haben, nach Waldemar Bonsels bekanntem Buch, das auch als literarische Vorlage für den Trickfilm diente, den wir natürlich alle kennen. Der Stummfilm von 1924 erhielt übrigens das Prädikat "Volksbildend".
Ohnmächtig gewordene Gottesdienstbesucher
war eines von vielen Argumenten, die der Altchemnitzer Katholik Oskar von Kielpinski anführte, um im Jahre 1933 einen Kirchenneubau zu begründen. In dem Schreiben heißt es dazu wörtlich: „Die jetzige Kapelle wurde Ende 1927 geschaffen aus dem Tagungsraum für Kinder des Kinderheimes, unter Hinzunahme eines weiteren Raumes. ... und es zeigte sich bald, dass auch der neu geschaffene Raum viel zu klein ist. In dem immer noch zu kleinen Raum entwickelt sich bald eine derartige schlechte Luft, dass schon Leute unwohl und ohnmächtig wurden. Das hält heute noch viele Gemeindeglieder ab, die Kapelle in der Erfenschlager Straße aufzusuchen. ... und trotzdem war man froh, dass man eine Raum hatte, wo man nicht auf eine Gastwirtschaft angewiesen ist, wo man gezwungen ist Zeche zu machen und bei Besprechung von Gemeindeangelegenheiten ... unberufene Zuhörer hat."
Oskar von Kielpinski wohnte auf der Annaberger Straße und war im 1928 gegründeten „Katholischen Pfarrverein Alt-Chemnitz e.V.) erst Vorsitzender, später Kassenwart. Ziele des Vereins waren: Bau von Kirche und Gemeindesaal, Erhaltung eines von katholischen Schwestern geführten Kinderheimes mit Säuglingspflege, Organisation von Vormundschaften und Unterbringung verlassener und gefährdeter Kinder in Familien und Anstalten, Kranken- und Armenpflege.
Pater Philipp Weißhaar
als Indianer war eine der Attraktionen beim Zirkusprojekt "Birikino" im Jahre 2003. Mit einer "Leiterwagentour" starteten Hobbyartisten, um Menschen des Umkreises mit ihren Kunststücken zu faszinieren. "Birikino" ist inzwischen zu einer festen Größe im Gemeindeleben geworden. Pater Philipp Weißhaar auch. Nachdem Pater Johannes Schreml 2003 die Gemeinde verlassen hatte, überbrückte P. Philipp die sechs Wochen bis zum Antritt des neuen Pfarrers, P. Alfred Lindner. Aber auch in den Folgejahren bereicherte P. Philipp unser Gemeindeleben ... nicht nur als Indianer.
(In unserer Priestergalerie finden Sie weitere kurze Informationen über Pater Philipp)
Bischof Dr. Otto Spülbeck
besucht Anfang der 60er Jahre St. Antonius. Das Schwarz/Weiß-Bild lässt sich genauer datieren. Es stammt vom Oktober 1934. Erzpriester Neugebauer (auf dem Bild leider nicht zu sehen) weiht die Glocken unserer Kirche. Rechts steht Pfarrer Toddenroth. Links hinter der Glocke sieht man Otto Spülbeck, damals Kaplan in St. Johannes Nepomuk Chemnitz. Toddenroth und Spülbeck waren schon damals befreundet. Beide Priester kamen aus anderen Diözesen in unser Bistum.
Ach ja, die Glocken: Sie hatten auch eine weite Reise hinter sich, kamen aus Bochum. Dass sie aus Stahl, nicht aus Bronze gegossen wurden, bewahrte sie vor der Einschmelzung für Kriegszwecke. Erhebungsbögen über "verwertbares Metall" mussten in unserer Pfarrei ausgefüllt werden. Darin wurden auch Orgelpfeifen erfasst.
„Altchemnitz,
du bist keineswegs die geringste unter den Chemnitzer Pfarrein, wenn du auch die jüngste und kleinste bist." Die kleinste Pfarrei in Chemnitz sind wir heute noch, die jüngste nicht mehr. Diesen Titel darf jetzt „St. Franziskus" führen. Gedruckt wurden diese Sätze (die man sicher auch heute noch gerne liest) im Benno-Blatt Nr. 39 des Jahrganges 1930. Grund war eine Fronleichnamsprozession. 300 Prozessionsteilnehmer versammelten sich auf dem Hof des Kinderheimes, wo heute die Kirche steht. Das Benno-Blatt schreibt: „Dass die Prozession auf dem engen Raum ein Umzug und nicht ein Gedränge wurde, ist der Regiekunst des Herrn Pfarrer Dr. Spettmann zu verdanken, die alle Gruppen zur Bewegung und Geltung kommen ließ ..." Das nebenstehende Bild hat diese Prozession bewahrt und in die heutige Zeit getragen. Jetzt ist zu Fronleichnam die evangelische Schlosskirche ein wunderbarer Gastgeber für die katholischen Gemeinden. Übrigens, die hier erwähnte Fronleichnamsprozession von 1930 war die erste in Chemnitz nach 391 (!) Jahren.
An dieses Bild
wird man sich vielleicht noch erinnern, wenn man vor 1976 die Antonius-Kirche besucht hat. Es stammt vom alten Flügelaltar des Künstlers Prof. Bruno Seener (1893-1952). Der Dresdner Maler und Grafiker arbeitete auch für die Dresdner Kirchen" St. Hubertus" und "Herz Jesu". In den alten Unterlagen unserer Gemeinde gibt es eine von Seener handgeschriebene Stiftungsurkunde aus dem Jahr 1934. Dort heißt es wörtlich: "Die Altarflügel haben den Wert von 2000 Mark, als Zahlung erhielt ich 450 RM. So stifte ich der Pfarrkirche der kath. Gemeinde zu Alt-Chemnitz unter dem Heutigem einen Kunstwert in Höhe 1550 RM. Zum Gedächtnis meines Bruders ich bitte die Gemeinde um Lesung einer Seelenmesse für ihn in Ihrer neuen Pfarrkirche".
"Wenn heute alles gescheitert ist,
so ist das nicht etwa eine Blamage der an dem Entwurf Beteiligten, sondern ein Beweis, dass es auch in schwerer Zeit noch soziale und edle Gedanken gibt. Tausend und Abertausende Unternehmen sind infolge der Wirtschaftskrisis zusammengebrochen, auch solche, die von hervorragenden Kapitalisten mit rechnerischen Köpfen geleitet wurden. Wohl schwer konnte man in einer solchen Zeit den Gang der Wirtschaft voraussagen."
Kann man Berichte solcher Art nicht auch heute wieder in den Zeitungen lesen - in der Wirtschaftskrise von 2009? Diesen Text schrieb Josef Wübbeling am 15. März 1931 in sein Protokollbuch, das über das Wirken des Katholikenvereins berichtet. Nachdem schon ein Kirchbau unter Seelsorger Röthlin wirtschaftlich scheiterte, versuchte es Pfarrer Spettmann Anfang der 30er Jahre erneut; auch erfolglos, wie man sieht. An dem Grundstück, dass für beide Kirchbauten bestimmt war und auch heute noch brach liegt, fahren viele Gottesdienstbesucher jede Woche vorbei. Es ist die Kreuzung Einsiedler/Erfenschlager Straße (siehe Foto).
Im Kriegsjahr 1940
entstand dieses Bild. In St. Antonius war Firmung. Man sieht es Pfarrer Toddenroth nicht an, unter welchen Schwierigkeiten er die Gemeinde führen musste, denn es gab auch noch das Antonius-Kinderheim, das ihm große Sorgen bereitete. Um das Heim vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen, wurde es nach und nach in ein Altersheim umgewandelt. Im Jahre 1941 musste Toddenroth erleben, wie die Elisabeth-Schwestern sich zurückziehen und das Heim gerne aufgeben wollten, denn sie hatten nicht mehr genug Schwestern, um alle Standorte aufrecht zu erhalten. Erhalten ist ein umfangreicher Briefverkehr zwischen Pfr. Toddenroth und dem Mutterhaus der Elisabeth-Schwestern in Breslau. Sicher ließe sich noch vieles zu diesem Thema berichten. Doch das würde hier zu weit führen. Folgender Text aus einem Brief (vom April 1941) soll einfach die Sorgen des jungen Pfarrers dokumentieren - in einer dunklen Zeit.
„Jeden Abend wollte ich ansetzen, bin aber ... mit müden, lahmen und zerschundenen Gliedern wie tot ins Bett gesunken. Außer 2 Abenden, wo 3 Männer aus der Gemeinde die allerschwersten Stücke mittransportiert haben, habe ich mit einem alten Invaliden des Hauses unter Mithilfe der Schwestern auf meinen eigenen Schultern alle die Möbellasten wie ein Tragetier transportieren müssen und war derart fertig, dass ich nur mit zitternden Händen kaum mein Brevier noch halten konnte. ... Woher Arbeitskräfte nehmen in dieser Kriegszeit? ... Was soll nun mit diesen alten Leutchen, die niemand mehr in der Welt haben, geschehen, wenn Sie alle Ihre Kräfte hier fortnehmen? Wollen Sie, ... dass man NS-Schwestern mir einfach ins Haus setzt und ... das passiert, was wir durch all die mühselige Arbeit der letzten Tage gerade verhindern wollten?"
Erstkommunion in einer Gaststätte.
Der Zeitungsartikel vom Himmelfahrtstag im Jahr 1934 berichtet folgendes: "Eine kleine Prozession nimmt ihren Weg vom Kinderheim zum Gasthaussaal in "Reichel`s Neuer Welt". ... So etwas war noch nicht da auf offener Straße. ... Grüßend hebt der Schupobeamte den Arm. An der verkehrsreichen Kreuzung soll nichts uns stören. ... Schon brannte das rote Lämpchen seit einer Stunde auf dem eigens erbauten Altar mit seinem mächtigen Podium. Fleißige Hände hatten ihn in manchen Abendstunden, nach der eigentlichen Tagesarbeit, entstehen lassen. ... So erlebte ein Tanzsaal, sonst mit Biergeruch und Raucherqualm, heute eine nie da gewesene und nie wiederkehrende Feierstunde mit Weihrauchduft und Kerzenglanz. Diaspora. Aber bald, bald geht die Gemeinde einer neuen Zeit entgegen. Die Steine sind schon gebrannt, die zu einem würdigen Gotteshaus sich zusammenfügen sollen."
Die Chronik berichtet von 45 Erstkommunikanten. Das Feiern des Erstkommuniongottesdienstes in "Reichels Neuer Welt" bedurfte übrigens der bischöflichen Genehmigung. Im Krieg fiel das Gasthaus einem Bombenangriff zum Opfer. Es befand sich in unmittelbarer Nähe zur jetzigen Straßenbahnhaltestelle Altchemnitz.
Die Chronik berichtet von 45 Erstkommunikanten. Das Feiern des Erstkommuniongottesdienstes in "Reichels Neuer Welt" bedurfte übrigens der bischöflichen Genehmigung. Im Krieg fiel das Gasthaus einem Bombenangriff zum Opfer. Es befand sich in unmittelbarer Nähe zur jetzigen Straßenbahnhaltestelle Altchemnitz.
Ohne Auto
ging es in St. Antonius schon 1931 nicht. Damals kaufte sich die Gemeinde einen "Kraftwagen". In "Wübbelings Protokollbuch" (also den Aufzeichnungen der Katholikenvereinssitzungen) steht hierzu: "Der Vorschlag des Herrn Pfarrer Dr. Spettmann, die Kinder mittels Kraftwagen geschlossen zur Kaßbergschule zu bringen, dürfte die einzige Möglichkeit bieten, die Altchemnitzer Kinder für die kathol. Schule zu gewinnen und zu erhalten ..." Damals wurde die 3. kathol. Schule (im Pfarrhaus) aufgelöst. Seit Jahrzehnten müssen Kinder aus den umliegenden Dörfern mit Privatautos zum Religionsunterricht und anderen Veranstaltungen gebracht und geholt werden - mit dem Auto. Das war nicht immer einfach. Aus dem Jahre 1976 berichtet die Chronik: "Mit Beginn des neuen Schuljahres erweist es sich als besonders schwierig, die Kinder zum Unterricht zu bekommen. So wird der Religionsunterricht für das 1. Schuljahr in der Schmiede in Neukirchen gehalten. Die Erstkommunionkinder ... werden mit zwei Autos nach St. Antonius geholt ..." Doch trotz der guten Organisation gab es bald wieder neue Probleme, wie Pfarrer Morgenstern 1981 in der Chronik vermerkte: "Die Ölkrise schlägt auch bei uns durch. ... Viele Buslinien wurden eingestellt, auch im innerstädtischen Verkehr. ... Am Jahresende wurden Nebenstraßen nicht mehr vom Schnee beräumt. ... Das bringt erhebliche Fahrtzeiten beim Transport der Kinder von und zum Unterricht."
An das Auto auf dem Foto können sich die älteren Gemeindemitglieder sicher noch erinnern. Diesen DKW nutzte Pfarrer Toddenroth. Das Bild dokumentiert eine Ausfahrt mit Kindern Anfang der 60er Jahre.
An das Auto auf dem Foto können sich die älteren Gemeindemitglieder sicher noch erinnern. Diesen DKW nutzte Pfarrer Toddenroth. Das Bild dokumentiert eine Ausfahrt mit Kindern Anfang der 60er Jahre.
In polnischer Sprache
wurde am 9. September 1973 der Gottesdienst gefeiert. Professor Pawlik aus Polen hält ihn und kündigt an, dass der Salvatorianerpater Egon Bremer die Polenseelsorge in St. Antonius wahrnehmen wird. Er besaß ein Touristenvisum und wohnte im Pfarrhaus. Auf Anordnung polnischer Behörden musst P. Bremer am 1. September 1974 die DDR verlassen und der Oblatenpater Emil Glombica (siehe Bild) übernahm die Seelsorge der polnischen Mitchristen. Glombica betreute bis 1980 neben St. Antonius 13 Seelsorgepunkte für polnische Arbeiter. Noch heute haben unsere polnischen Mitchristen in St. Antonius einen Ort für Ihr Gemeindeleben. Pater Michal Zajelski SDB betreut sie seit 2005.
„Und man sah ihn auch tagtäglich
mit der Schaufel in der Hand.
Er grub Grund und schleppte Steine,
kratzte Ziegeln, mengte Sand.
Doch sein übergroßer Eifer
Fand beim Bauamt keine Gnad,
weil der Bau noch nicht genehmigt,
Bitte schön, ein Strafmandat!"
Dies ist Strophe 11 eines sehr langen Liedes, das Joseph Vogt, damals Kantor von St. Johannes Nepomuk für das Kirchweihfest 1935 geschrieben hat. Für das Strafmandat, so steht es auch in der Chronik, musste Pfarrer Toddenroth 5 Reichsmark bezahlen. Die offizielle Baugenehmigung erfolgte am 11. Juni 1934. Darin wurde der Gemeinde auf Flurstück 486 erlaubt: „ein kirchliches Versammlungsgebäude zu errichten, eine Autogarage einzubauen und einen Schleusenbau auszuführen." Ermöglicht wurde der Bau nur, weil man dadurch Arbeitslose wieder in Lohn und Brot bringen konnte, was ja auch ein erklärtes Ziel der damaligen Machthaber war. Von kirchenfreundlicher Politik konnte dennoch keine Rede sein, wie auch St. Antonius später noch schmerzlich erfahren musste. Doch das ist ein anderes Thema. Architekt der Kirche war, wir wissen es: Willy Schönefeld, der Baumeister hieß Lenz.
Ein Harmonium für St. Antonius
wurde beim Ordinariat Anfang des Jahres 1935 beantragt. Doch die Antwort fiel negativ aus. In einem Brief an unsere Pfarrei stand wörtlich: "Das Harmonium konnten wir Ihnen leider nicht zuwenden. Wir haben es einer Stelle gegeben, die bereits seit 20 Jahren nur ein verstimmtes Klavier beim Gottesdienst benutzte." Hilfe kam dann im Juli 1934. Die "Deutsche Oberschule mit Realschulzug" in Frankenberg hatte eine Orgel, die verkauft werden sollte. Das Ministerium billigte den Verkauf des Instrumentes aus dem Hause "Schmidt und Berger" für 350 RM. 1936 erweiterte der Rochlitzer Orgelbaumeister Alfred Schmeisser das Instrument, da es eine für die Kirche zu geringe Klangstärke besaß. In einem Kostenvoranschlag schrieb Schmeisser: "Eine weitere Verbilligung um RM 75 könnte eintreten, wenn den Monteuren freie Wohnung und Verpflegung gewährt würde." Während man heute über solche Sätze schmunzeln kann, war der letzte Satz des Briefes gar nicht mehr lustig, denn er zeigte schon die Vorboten der politischen Katastrophe: "Im Hinblick auf das bevorstehende Verbot der Verwendung von Zinn für Orgelpfeifen ist eine baldige Vergebung des Auftrages geboten." Die Orgel jedenfalls begleitete die Gemeinde bis ins Jahr 2000. Dann war das Instrument so kaputt, dass eine Restaurierung teurer geworden wäre, als der Neukauf einer elektronischen Orgel. Auf der Empore kann man aber noch die alten Orgelpfeifen sehen, die als Attrappe an das Instrument aus Frankenberg erinnern. Die alte und neue Orgel befinden sich quasi schon immer "im Besitz" der Familie Walter. Leo Walter war von Beginn an Kantor in der Gemeinde. Später führte sein Sohn Konrad dieses Amt fort und greift auch heute noch Woche für Woche in die Tasten, um die Gemeinde musikalisch zu begleiten und zu bereichern.
Unsere Glocken
läuten seit 1934. Gegossen wurden sie vom "Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation AG". Doch wer kennt ihre Namen? In der Chronik fand ich ein Kirchweihfestgedicht von Hannelore Iwaszkiewicz. Sie schrieb es im jahre 1984 zum 50. Kirchweihfest. Ich finde, schöner kann man die Glocken nicht beschreiben:
Auch wurden bei der Sammellei
gespendet Glocken 1,2,3.
Zur Grundsteinlegung wurden sie geweiht,
doch wer kennt noch die Namen vom Geläut?
Die kleinste von allen in unserem Geläut
Maria mit Namen uns heut noch erfreut!
Sie läutet so zart, sie läutet so fein,
und läutet, bis der heilige Geist stimmt ein.
Die 3. im Bunde ist und bleibt,
die große, die heilige Dreifaltigkeit.
So klangen sie damals, so klingen sie noch heut
In A, F und D bis hin zur Ewigkeit.
gespendet Glocken 1,2,3.
Zur Grundsteinlegung wurden sie geweiht,
doch wer kennt noch die Namen vom Geläut?
Die kleinste von allen in unserem Geläut
Maria mit Namen uns heut noch erfreut!
Sie läutet so zart, sie läutet so fein,
und läutet, bis der heilige Geist stimmt ein.
Die 3. im Bunde ist und bleibt,
die große, die heilige Dreifaltigkeit.
So klangen sie damals, so klingen sie noch heut
In A, F und D bis hin zur Ewigkeit.
Anmerkung: Während Erzpriester Neugebauer zur Grundsteinlegung zwei Glocken weihte, wurde die große Glocke (St. Trinitatis) erst am 10. Oktober 1934 von Pfarrer Toddenroth benediziert. In einem Dokument schreibt Toddenroth seinem Bischof, dass er Kraft Vollmacht die Glocke nach dem „Rituale Romanum (Bened.reservatae I Nr. 7)" benediziert hat.
Operettenabend
in „Reichels Neue Welt" Gespielt wurde die Wiener Operette: „Das Wäscherprinzesschen". Das Ensemble bestand (bis auf eine Gastrolle) aus Gemeindegliedern von St. Antonius. Man kann schon fast sagen, dass „Reichels Neue Welt" (das Lokal befand sich an der jetzigen Straßenbahnhaltestelle Altchemnitz) die Lieblingsgaststätte der St.-Antonius-Gemeinde gewesen sein muss: so oft wird sie in der Chronik erwähnt. Jedenfalls, am 4. Dezember 1933 öffnete sich der Vorhang. In einer Zeitungsmeldung stand:
„Kurz vor Beginn ergriff Herr Pfarrer Toddenroth das Wort und begrüßte die zahlreich erschienenen Zuhörer. Er sprach ferner all denen seinen Dank aus, welche zum Gelingen dieser Aufführung ihm hilfreich zur Seite gestanden haben". Der Kolumnist beschrieb nun die guten Leistungen der Sänger. Dann führte er fort: „Die Regie lag in der Hand des Herrn Pfarrers Toddenroth, die musikalische Leitung hatte Herr Oberlehrer Hurdaleck von der 2. kathol. Schule. Die Einstudierung der einzelnen Rollen leitete in sachkundiger Weise Herr Pfarrer Toddenroth und sein bewährter Mitarbeiter Herr Kantor Leo Walter. Es war ein schöner genussreicher Abend. ... Der Besuch war überaus zufriedenstellend und der Reinertrag für den Kirchenbaufond bestimmt. Ein würdiges Gotteshaus für die St.-Antonius-Gemeinde Chemnitz-Altchemnitz ist dringend notwendig."
Ein Luftschutzhelm,
bei Aufräumarbeiten im Keller gefunden soll eines der dunkelsten Kapitel illustrieren. Am 5. März 1945, beim Luftangriff auf Chemnitz, schien die Antoniuskirche vergleichbar gut weggekommen zu sein. Zwei Bomben schlugen neben dem Gebäude ein. Die Druckwelle dieser Sprengsätze allerdings zerstörte Scheiben und Teile des Innenraums. Zum Glück waren es alles reparierbare Schäden. Auch wenn das Schicksal gnädig mit unserer Kirche umgegangen ist, so waren es die Leute im Keller des Pfarrhauses, die Angst und Leid ertragen mussten und in dieser Bombennacht unvorstellbaren Mut bewiesen haben. Stabbrandbomben trafen das Dach des Pfarrhauses. Um das Haus vor einem Flammeninferno zu bewahren, kletterten Männer mit Handspritzen auf das brennende Dach - noch während die Bomben einschlugen. Vom Gasthaus „Reichels Neue Welt" kamen traumatisierte Menschen in den Keller. Das Gasthaus brannte nach einem Treffer bis auf die Grundmauern nieder. Ein Schwerverletzter benötigte dringend einen Arzt. Also rannte Kantor Leo Walter unter Einsatz seines eigenen Lebens noch während des Luftalarms nach Harthau, um den Arzt zu holen, der tatsächlich auch kam. Ob der Schwerverletzte aus „Reichels Neue Welt" überlebt hat, ist mir nicht bekannt. Vielleicht konnte Kantor Leo Walter durch das Holen des Mediziners in der Bombennacht das Leben des Mannes retten. Möglicherweise haben die Männer mit der Handspritze nicht nur das Dach des Pfarrhauses gerettet, sondern das ganze Gebäude und somit das Zuhause einiger Menschen, die im Keller mit ihren Luftschutzhelmen ausharren mussten.
Die Vorabendmesse in St. Antonius.
Wissen Sie (noch), wann diese Gottesdienstmöglichkeit eingeführt wurde? Das Datum liegt noch nicht so lange zurück. Am 12. Juni 2001 informierte Pater Johannes Schreml die Gemeinde, dass in der Kapelle die Möglichkeit zum vorgefeierten Sonntagsgottesdienst besteht. Der Grund lag im Umbau der Kirche. Konnte nach der Beschädigung der Kirche vom 5. März 1945 und beim ersten Kirchumbau 1976 sonntags die hl. Messe jeweils im Pfarrsaal gefeiert werden, so bot sich diese Möglichkeit im Jahre 2001 nicht. Der Saal selbst befand sich auch im Umbau. (Unvergessen sind die Arbeiter, die damals bei über 30 Grad Celsius Hitze stundenlang heißen Fließestrich in den Saal tragen mussten: Eimer für Eimer - welch eine Schinderei!) Also wurde die kleine Hauskapelle für einige Wochen Ersatzkirche. Eine zweite Gottesdienstmöglichkeit musste geschaffen werden, schon aus Platzgründen. Schön, dass sich die Möglichkeit einer Vorabendmesse erhalten hat!
Dieses seltene Gruppenfoto
aus dem Jahr 1934 zeigt die Erbauer unserer Kirche. Die Gesichter sind uns erhalten geblieben, die Biografien nicht. Nur über einen der Gruppe, den Dritten von links kann noch etwas berichtet werden: Robert Ritter. Ritter war Küster unserer Gemeinde und Familienvater. Am 5. August 1941 verlor er im Alter von nur 31 Jahren sein Leben an der Front. Die Bauarbeiter konnten durch den Kirchbau der Arbeitslosigkeit entkommen, standen also wieder in Lohn und Brot. Für die damaligen Machthaber war es ideologisch sehr wichtig, die große Arbeitslosigkeit abzubauen. So konnten sie Menschen für sich gewinnen um diese dann für ihre menschenverachtenden Ziele zu missbrauchen: so wurde auch Robert Ritter als Soldat missbraucht. Der ideologische Vorteil einer Vollbeschäftigung war den Nazis so wichtig, dass sie unseren Kirchbau genehmigten, obwohl sie (wie bekannt) eher kirchenfeindlich eingestellt waren. „Für den kleinen Mann" war das natürlich damals nicht zu überblicken und so machten sich die Arbeiter mit Freude an den Kirchbau. In sehr kurzer Zeit bauten sie das Gotteshaus, welches uns auch heute noch zur Gemeinschaft im Glauben sammelt. Wie gesagt, was nach dem Kirchbau aus den Menschen geworden ist, weiß ich nicht. Aber etwas Wertvolles haben sie uns noch hinterlassen. Obwohl sie in deutlich ärmeren Verhältnissen leben mussten als wir, stifteten sie von ihrem Lohn eine Glocke für unsere Kirche. Vor jeder hl. Messe läutet die große Glocke „Dreifaltigkeit" und erinnert seit 75 Jahren an die, die diesen Ort für uns und zur Ehre Gottes erbaut haben.
Eine Antonius-Statue.
Man entdeckt sie direkt nach Betreten der Kirche rechts. Das Foto stammt aus der Chronik und wurde 1968 gemacht. 1967 schrieb Pfarrer Krieglsteiner in die Chronik: "Da die Gemeinde sich eine Antoniusstatue wünscht, wurde mit Herrn Dr. Nawroth, Görlitz, Verbindung aufgenommen. Er will zu gegebener Zeit dem Pfarrer und der Gemeinde einen Entwurf vorlegen." Ein Jahr später berichtet Krieglsteiner: "Eine Freude erlebt die Pfarrei auch mit der neuen Antonius-Statue, die uns Herr Dr. Nawroth aus Görlitz pünktlich zum Patronatsfest übergibt." Georg Nawroth (1911-1988) war Maler, Graiker und Kunstzeichner, außerdem Mitglied des Dominikanerordens. Er erlernte in Florenz Freskomalerei und promovierte in Jena auf dem Gebiet der Kunstgeschichte. Neben Wandbildern, Altartafeln und Kirchenfenstern sowie plastischen Holzarbeiten in verschiedenen Kirchen in Deutschland fertigte er unter anderem in der Görlitzer Schwimmhalle eine farbige Glasurkeramik an.
Von Dr. phil. Hieronymus Spettmann,
Expositus unserer Gemeinde von 1927 bis 1933, sind viele Seiten überliefert. Sein Herz galt den Kindern der Gemeinde. Für sie organisierte er Ferien in einem Landheim, zu einer Zeit, als viele Gemeindeglieder von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen waren. Spettmann ging bewusst in die Diaspora, um dort "die zerstreuten Schäflein in den gemeinsamen Schafstall zu führen", wie auf seinem Totenzettel zu lesen ist. Für seine Zeit war er (links im Bild) ein moderner Mensch, fuhr Motorrad. (Das Bild stellte mir freundlicherweise die Gemeinde St. Nepomuk Zwickau zur Verfügung.) "Ein sorgender Pflegevater zu sein ...", ein Pfarrer, der sich um die einfachen Leute in der Diaspora kümmern wollte, war die eine Seite des promovierten Theologen. Der Franziskaner-Pater, der 1922 mit Zustimmung seines Ordens "Weltpriester" wurde, arbeitete wissenschaftlich und veröffentlichte philosophisch anspruchsvolle Texte. Für den am literarisch-philosophische Vermächtnis unseres früheren Pfarrers Interessierten, sind mir folgende Titel bekannt:
-> „Die Erkenntnislehre der Mittelalterlichen Franziskanerschulen von Bonaventura bis Skotus"(Band 6) - Paderborn 1925
-> „In der Gefolgschaft des hl. Franz von Assisi" - Paderborn 1921
-> „Die Psychologie des Johannes Pecham" (Band XX, Heft 6 der „Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters" Hrsg. Clemens Baeumker) - Münster 1919
-> „In der Gefolgschaft des hl. Franz von Assisi" - Paderborn 1921
-> „Die Psychologie des Johannes Pecham" (Band XX, Heft 6 der „Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters" Hrsg. Clemens Baeumker) - Münster 1919
Das letztgenannte Buch wurde vom Boston College digitalisiert und kann als PDF bei American Libraries heruntergeladen werden. Die beiden anderen Bücher wurden (auch für die Gemeinde) privat erworben und können von Interessierten eingesehen werden.
Abschließen möchte ich die Rubrik „Schnipsel" (vorerst) mit einem Satz aus Spettmanns „Assisi-Buch". Spettmann schreibt über die Kirche:
„Bei allem Menschenwerke kommt es auf die innere Gesinnung an, aus der heraus wir es betreiben. Auch alle äußeren kirchlichen Einrichtungen stehen unter dem Gesetze des Heilandes, das da lautet: „Der Geist ist es, der lebendig macht" (Joh. 6,64). Ohne den sie beseelenden Geist sind sie wertlos, oft genug sogar schädlich, indem sie dann allzu leicht die Pest pharisäischer Gesinnung bringen."
(In der Gefolgschaft des hl. Franz von Assisi, Seite 9)
Die Schnipsel wurden "aufgelesen", gelesen und veröffentlicht von Henning Leisterer
Fotos: Archiv St. Antonius