Die Qual, gute Vorsätze zu finden
Nun sitze ich mit meiner spitzen Feder und überlege mir gute Vorsätze für 2008. Eigentlich ist es ja ganz einfach. Ich bin faul, träge und habe Übergewicht. Also werde ich meine Diät erhöhen. Der Hausarzt freut sich. Plötzlich verzeichnet mein Blut eine Qualitätssteigerung nie gekannten Ausmaßes und die Hypertonie ist wie weggeblasen. Aber kaum konnte ich dieses Glücksgefühl genießen, musste ich erleben, wie die Bluthochdruckkrankheit nicht weggeblasen war, sondern nur einen Wirtswechsel vollzogen hat. Dem Arzt trieb es die Zornesröte ins Gesicht und er schimpfte leidenschaftlich auf Politiker, die auch ihre Diät(en) erhöht haben, während er sich selber, eingezwängt zwischen Fallpauschale, Budgetierung und hippokratischem Eid immer weniger für seine Modelleisenbahn kaufen kann. Im konkreten Fall meinte er einen Patienten aus dem Hohen Haus der gebügelt und lackiert mit wehendem Hartschalenkoffer an der Krankenschwester vorbei geht, ihr das Zauberwort „privatversichert" zuruft und schon im Behandlungszimmer verschwunden ist. Keine Minute später öffnet sich die Sprechzimmertür erneut und herausgekrochen kommt Opa Müller, der sich, sein Hemd noch in die Hose steckend, unterwürfig und weinerlich entschuldigt, im Wege gewesen zu sein. Also mein Arzt weiß nicht so richtig, ob eine Diät(en)-Erhöhung nun gut oder schlecht ist und ich muss mir (um nichts falsch zu machen) lieber einen anderen Vorsatz suchen. Weniger Auto fahren - das ist es! Doch kaum erzähle ich es meinen Freunden, sehen sie mich strafend an. Ob ich denn gar nicht an die alten Leute denke? Immerhin finanziere ich doch mit der Mineralölsteuer ihre Pflegeversicherung. Es sei von mir höchst verantwortungslos, pflichtlos und oberflächlich, billigend in kauf zu nehmen, dass alte Leute mit Dekubitus (steht für: „lange keine Veränderung im Pflegebett erlebt") vor sich hindämmern. Schließlich haben sie doch unseren Wohlstand geschaffen, also auch die Möglichkeit für mich, übergewichtig werden zu dürfen. Das sehe ich ein. Nun fahre ich sogar zum Zigarettenautomaten mit dem Auto. Denn sich das Rauchen abzugewöhnen, war auch keine gute Idee. Sofort wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Staat auf meine Tabaksteuer angewiesen ist. Wie sonst soll er Bildungseinrichtungen für Kinder finanzieren und Kindergeld und Erziehungsgeld und Familienhilfen? Kinder sind doch unsere Zukunft! Das sehe ich ein. Nun rauche ich 20 Zigaretten mehr am Tag. Doch endlich kam mir eine Idee: das Ehrenamt, das Ehrenamt in der Kirche. Welche Rettung! Und ehe ich mich versah, gehörte ich zu den Wenigen, die für die Vielen alles machen. Kaum bin ich in der Gruppe der Arbeitsbienen integriert, komme ich zu immer neueren Ehren. Bald stecke ich so voll Arbeit (also voll ehrenamtlicher Bedürfnisbefriedigung), dass kaum noch Zeit bleibt, den Kalender abzureißen. Ich werde den Jahreswechsel 2008/2009 glatt verpassen! Ich werde keine Zeit mehr haben, mir neue gute Vorsätze auszudenken.