Vorsicht, Feuer
Der kleine Finn hat schon einen Stock gefunden. „Au fein, heute gibt es Knüppelkuchen, und der Pfarrer ist auch dabei!" Was der kleine Finn (heute heißt jeder zweite Junge Finn) aber nicht weiß, der Pfarrer hat gar keine Lust auf Knüppelkuchen. Das Lagerfeuer ist auch kein Lagerfeuer, sondern ein Osterfeuer vor der Kirche. So eine Enttäuschung. Doch auch Finns Opa, der Franz-Georg, hat beim liturgischen Anblick des kirchlichen Stilmittels für Christus Auferstehung romantische Szenen im Kopf. Damals, als die Kinder nicht Finn und Vanessa, sondern noch Franz-Georg und Dörte hießen, saß er mit ihr am Lagefeuer. Dörte spielte Gitarre und als Franz-Georg sich an ihr mal wärmen wollte, spielte sie weiter Gitarre, die halbe Nacht lang. Wenig später kam Dörte auf die Idee, Medizin studieren zu wollen, während er „Erdkunde" (robben, tarnen, kriechen) bei der NVA machen musste. Viel später sah Franz-Georg seine Dörte zufällig in der Straßenbahn wieder, an ihrer Seite einen etwas verwilderten und verzottelten Kunststudenten. Inzwischen ist Dörte Oberärztin für gastroenterologische Onkologie. Ihr Zotteltier hat leider den Weg ins geregelte Leben nicht mehr gefunden. Er rennt mit seinem Sektglas von Vernissage zu Vernissage und fliegt zweimal im Jahr nach Dubai, um echten Wüstensand für sein künstlerisches Lebenswerk zu sammeln. Franz-Georg war von Dörte damals so enttäuscht, dass sie ihn heute noch kreuzweise am .... Rectrum koloskopieren kann. Dörte hingegen stolpert in ihrer Arzt/Künstler-Villa täglich über vom Sperrmüll geholte Kunstobjekte, die ihr Zotteltier für die Installation „Das imaginäre Eiblau in schlichter Korrespondenz mit dubaiischen Sandverwehungen" dringend benötigt. Kaum war Franz-Georg seinen süßen Erinnerungen nachgegangen, sah man ihn der Osterkerze nachjagen, die in eine völlig dunkle Kirche getragen wurde. O Gott, jetzt kann selbst die Kirche nicht mehr die hohen Energiekosten aufbringen, denkt er, bevor er artig seine mitgebrachte Kerze entzündet. Jedes Jahr muss er bei dieser Szene an das arme Paulinchen aus Heinrich Hoffmanns schockierendem Katastrophenthriller „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug" denken. Hätte man denn für das brennende Paulinchen nicht einfach die Feuerwehr holen können? Zwar war es eine sehr rücksichtsvolle Denkweise, dem Untermieter den Löschwasserschaden zu ersparen, doch leider sorgten Minz und Maunz, die Katzen für die Katastrophe nach der Katastrophe. Durch ihre Weinerlichkeit gab es trotzdem den befürchteten Wasserschaden bei den Untermietern und die schwere Blümchentapete rollte sich formschön die Wand herunter. Eigentlich könnte Franz-Georg nun Dörte anrufen, ob ihr Zotteltier noch alte Tapeten für seine Installation benötigt.