Himmelfahrt
Und wage dir nicht, zum Männertag in meine Gaststätte zu kommen!", rief mir der Wirt meiner Stammkneipe hinterher. Angeblich hätte ich letztes Jahr nach dem Trinken seine Kaschemme verunreinigt. Ich, ausgerechnet ich? Ich kann mich an nichts erinnern. Am Morgen nach dem Männertag war ich auf der Bank an einer Bushaltestelle aufgewacht und hatte den Sonnenaufgang beobachtet! Aber ich konnte dem Wirt versichern, dass er sich dieses Jahr einen anderen Sündenbock suchen muss, der ihm seinen ausgetretenen Holzfußboden schrubbt, denn ich mache eine Himmelfahrt. Ja, ausgerechnet zu Himmelfahrt fliege ich mit einem Flugzeug nach New York. Am Flugplatz sehe ich sie stehen, die DC-10 einer renommierten Himmelfahrtgesellschaft. Gott sei Dank, sie hat drei große Triebwerke. Diese Trinität hat für mich nicht nur technische Bedeutung sondern eine theologische Erlösung. In schönster „Dreieinigkeit" werden mich die Triebwerke in den Himmel ziehen. In den beiden Gängen erlebe ich ein lustiges Schauspiel. Zwei Stewardessen führen werbewirksam das neueste Modell der Schwimmwesten vor und zeigen, wie schön man darin aussieht. Ob man sie hier zollfrei kaufen kann? Ich brauche sie nicht. Auf dem Ticket steht doch „Flugreise" und nicht „Schwimmunterricht". Ach so, begreife ich, dieses Accessoire benötigen wir, wenn die Maschine im Ozean baden geht. Ein Vorteil für die Leute, die schwimmen können. Aber Anton kann das nicht! Der nette Kommandant des Himmelfahrtsunternehmens ist sehr mitteilungsbedürftig. Nach dem Start erzählt er etwas von Flugzeit, Luftkorridoren, Passatwinden, philosophiert über die Außentemperatur und, und, und. Wenn er jetzt noch etwas über Schweißfüße zum besten gibt, dann wäre ich wirklich glücklich. Im Gegensatz zur Außentemperatur interessiert mich das Thema Schweißfußbekämpfung wirklich. Doch leider scheinen den Piloten nur die unwichtigen Dinge zu interessieren, zum Beispiel die Außentemperatur seines von Passatwinden gekreuzten Luftkorridors. Doch plötzlich holt mich ein religionsphilosophisches Problem ein. Wenn nun die Dreieinigkeit doch nicht so funktioniert? Wenn nun der Sohn nicht so will, wie der Vater und sich einfach aus dem Staub macht und der Vater vor Schreck das Stottern bekommt und das dritte Triebwerk beleidigt exppodiert, weil ihm das Gezanke zwischen Vater und Sohn auf den Geist geht? Dann gibt es zum Glück die Schwimmwesten, denke ich entspannt. Doch wozu braucht man Schwimmwesten, wenn die Maschine aus 9000 Meter in den Atlantik sticht und die Fische beim Laichen stört? Wo sind denn überhaupt die Taucheranzüge? Ich bekomme Angst. Nie wieder Himmelfahrt! Was hat Jesus nur dazu bewogen, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, ohne Flugzeug, ohne Schwimmweste und ohne Bier aus Plastebechern, so ganz alleine, bei minus 43 Grad Außentemperatur? Ich kann das nicht verstehen. Endlich setzen wir in New York auf. Gott sei Dank! Der Pilot verabschiedet sich freundlich und bedankt sich, dass wir eine Himmelfahrt mit ihm gemacht haben. Nun stehe ich in New York und weiß gar nicht wohin mit dem ganzen Wissen über Passatwinde, Kabinendruck, dass der Pilot uns vermittelt hat. Nur meine Frage steht noch unbeantwortet: Was mache ich nun mit meinen Schweißfüßen?