Priesterweihe
Diesen Sommer bekam ich eine Einladung zu einer Priesterweihe. O, dachte ich: endlich mal etwas Abwechslung in meinem tristen Schreibstubenleben. Also fuhr ich voller Vorfreude in das beschauliche Benediktbeuern. Was für ein Ortsname! Benedikt-beuern. Was soll das bedeuten? Hat Klein-Benedikt hier sein Bäuerchen gemacht? Welcher Benedikt? Papst oder Heiliger? Doch solche philosophischen Gedanken passten gar nicht in diese schöne Heile-Welt-Landschaft, dort wo der Himmel blau, die Wiese grün ... eine Landschaft, wie naive Malerei in einem Kinderbuch. Den Kleinen will man auch noch nicht die richtige Welt zumuten. Doch leider führte der Weg ins Paradies durch die reale Welt. Ich musste immer wieder an das Öl im Golf denken, das viele Öl, das im Golf ist. Doch ohne Öl fährt sich nun mal der Motor meines geliehenen Golfes fest. Doch kurz vor München, auf der A9 war die Fahrt sowieso erst mal zu Ende: Stau. Ja, dachte ich, vor Gott und dem Stau sind alle Menschen gleich. Egal, ob Luxusautofahrer, Priesterweihkandidat, Türkin im Kleinwagen, Staubsaugervertreter oder Opas mit Hut - alle sind gleich. Als es dann endlich weiter ging, traute ich meinen Augen nicht. Da stand doch tatsächlich am Straßenrand ein Schild mit der Aufschrift: „Abstand halten - halber Tacho!" Ich habe das wirklich für einen Scherz gehalten. Doch das Schild verwirrte mich nach wenigen Kilometern wieder ... und dann kam es noch mal ... und noch mal. Ich habe mich nicht daran gehalten. Das ist doch lebensgefährlich! Mein Tacho ist (ich habe es nachgemessen) 10 cm breit. Soll heißen, der halbe Tacho misst ganze 5 cm. Wie soll man bei 130 km/h diesen Abstand hinbekommen und halten? Hilfe! Ich war richtig froh, dann endlich heil in der oberbayerischen Idylle anzukommen. Die Basilika hat es mir angetan. So viel Barock! Und Zwiebeltürme! Ich habe in meinem Portemonnaie auch viele Zwiebeln. Immer wenn ich dort hineinsehe, kommen mir die Tränen. Aber der letzte Satz passt nun wirklich nicht in die oberbayerische Glückseligkeit. Wie glücklich kann man doch sein, wenn man in die Basilika hineingeht. Die Baumeister haben dort etwas eingebaut, was für den Gottesdienstbesucher echten Nutzwert hat - also nicht „nur" religiösen Wert, sondern praktischen: eine Uhr! Eine Uhr, vorne über dem Altar! Ja, ich kam mir vor, wie auf dem Bahnhof. Dort hängt auch eine Uhr, die einem genau Auskunft gibt, wann der Zug kommt und fährt, ob er Verspätung hat oder nicht. Welcher Zug, fragen Sie? Na, der Einzug der Priester. Einen Lautsprecher habe ich in der Basilika nicht gefunden, auch keine Schienen. Aber vielleicht habe ich auch nicht richtig geschaut? Ein kleines Kind neben mir rief plötzlich ganz aufgeregt: „Da vorne, da vorne, da ... da steht ein Koch!" Plötzlich merkte ich, das mein Magen knurrt. Ich sah gespannt zum Altar. Ein Koch? Gut, kann ja sein. Man hat ja auch nicht in jeder Kirche eine große Uhr über dem Altar hängen. Doch schnell musste ich den Kleinen neben mir enttäuschen. Die Kochmütze war eine Mitra und der Koch ein Bischof. Am Nachmittag saßen alle vor der Glotze und mussten mit ansehen, wie die englischen Fußball-Löwen völlig zahnlos ins Gras beißen mussten. Aber das gab es ja im Fußballstadion genug. Gegen Spanien haben wir später ins Gras gebissen. Ich war richtig traurig. Eigentlich hätte ich nun einen Priester gebraucht, der mich tröstet. Doch leider beging ich den Fehler, die sorglose oberbayerische Glückseligkeit zu verlassen und gegen die Türkei einzutauschen. Dort versuchte mich zwar der Muezzin vom Minarett aus zu trösten. Doch ich habe kein Wort verstanden. Türkisch ist eine noch viel kompliziertere Sprache, als Bayerisch.