Endlich: Gottesteilchen gefunden!
Welch ein Durchbruch ist den Physikern in den letzten Wochen gelungen. Nichts ist mehr so, wie es war! Das Gottesteilchen ist gefunden worden! Sensation! Im Teilchenbeschleuniger von CERN ist es gefunden worden! Das ist das Ding, in dem Physiker, die früher stundenlang im Kinderzimmer ihrer im Kreis fahrenden Modelleisenbahn zugesehen haben, nun Teilchen um den Kreis jagen. Ja, schlimmer noch, sie lassen die Teilchen auf Kollisionskurs fahren. Früher im Kinderzimmer hätte Papi mächtig geschimpft, wenn das Kind Eisenbahnunglück gespielt und so die teuren Loks kaputt gemacht hätte. So, und nun? Nun haben die Wissenschaftler endlich den Beweis, dass ihr mathematisch errechnetes Modell auch stimmt. Dafür gibt man doch gerne mal 10,3 Milliarden Euro aus, um, bildlich gesprochen, nun endlich die rechte Tragfläche an das Modellflugzeug kleben zu können, damit es nicht nur rechnerisch sondern auch wirklich fliegt. Nun haben wir also Higgs. Nein, ich bin nicht besoffen. So heißt das Teilchen, dass wir nun besitzen dürfen. Aber im Museum werden wir es nicht bewundern können, weil es gleich wieder zerfällt. Das Higgs-Teilchen hat nämlich keine Masse, bekommt aber durch die Wechselwirkungen (Ziehen und Zerren) des Higgs-Feldes Masse ... und ... zerfällt. Alles klar? Ich erkläre es mal an einem Beispiel. Vater und Mutter haben sich getrennt und das arme Kind sitzt zwischen allen Stühlen. Um sich beliebt zu machen, stopft Vati das Kind mit Eis voll. Die Mutti zerrt an dem Kind mit Pizza. Das arme Kind isst und isst und bekommt Masse. Mutti zerrt mit Pizza, Vati mit Eis. Langsam geraten auch die Eltern in Schwingungen, durch das an Masse zunehmenden Kindes. Der Vater schreit die Mutter an, dass das Kind zu viel Pizza isst, die Mutter schreit zurück, dass das Kind durch Papis Eis so viel Masse gewonnen hat. Irgendwann zerfällt die Familie, wie auch das Higgs-Teilchen. Aber man hat das Theater mal kurz gesehen. Ist nun alles klar? Gottesteilchen nennt man das Higgs (nein, ich bin nicht besoffen), weil es so eine universelle Bedeutung hat. Nun wollen die Teilchenphysiker eine Zeitreise machen und das Entstehen des Universums vor 13,7 Milliarden Jahren beobachten. Wissen sie eigentlich noch, was es gestern in der CERN-Kantine zum Mittag gab? Oder haben sie sich mal Gedanken gemacht, welche gravierenden Auswirkungen der Flug eines CERN-Wissenschaftlers zum letzten Kongress nach Lissabon hatte? Nehmen wir mal an, der Herr saß auf Sitz 27A. Auf dem Fensterplatz der anderen Flugzeugseite, also auf 27F (ich nehme als physikalische Voraussetzung eine 3er-Mittelgang-3er-Bestuhlung der Maschine an) saß niemand. So sitzen 80 Kilogramm Mensch (also Materie) rechts und 0 Kilogramm Nichtmensch (also keine Materie) links und fliegen nach Lissabon. Mathematisch gesehen bekäme das Flugzeug eine Schieflage, weil es rechts etwas schwerer ist. Es ist eine Schieflage die zwar nicht wichtig, aber sicherlich messbar ist, wenn (wie es bei Teilchenphysikern beliebt ist) auch die 43. Stelle hinter dem Komma nach der Null von elementarer Bedeutung ist. Außerdem wirken sich 80 Kilogramm mehr im Flugzeug plus Gepäck negativ auf die CO2-Bilanz des Flugzeuges aus. Der Mann hätte lieber mit dem Fahrrad nach Lissabon fahren sollen! Ja, das ist eben Teilchenphysik. Dinge, für die normale Menschen gar keinen Nerv haben, werden existenziell wichtig, ja: sogar bahnbrechend wichtig. Das rechtfertigt auch eine Stromrechnung von 16 Millionen Euro pro Jahr im CERN. Wir haben ja sonst keine Probleme auf der Erde! Hoffentlich war es kein Atomstrom!
Und was macht nun Gott mit seinem neuen Teilchen? Sicher sitzt er in seiner Wolke, spielt mit seinem weißen Bart und sagt gelangweilt: "Ach ja, dieses Blöde Teilchen, das hab ich ja früher auch mal gebastelt, bevor ich es dann versteckt habe." Dann sieht er die fröhlichen Physiker auf ihrer Pressekonferenz und fragt: "So, haben sie es mit ihrem neuen Kreisel endlich gefunden?"