Die Wahl ist gelaufen
Die Wahl ist gelaufen. Das heißt, ich hatte nie eine Wahl gehabt. Weil nach dem Hochwasser so viele gespendet haben, muss ichnun wieder für die blöden Webmaster schreiben. Das passt mir zwar gar nicht, aber als damals mein ganzer Tabak nass geworden war, den ich im Saal versteckt habe, konnten die blöden Webmaster meine Not ausnutzen und mich zum Spendensammel-Onkel machen. Na gut, für mich ist die Wahl gelaufen, ich muss machen, was die anderen wollen. Die Bundestagswahl ist auch gelaufen. Die Piraten sind genauso abgesoffen, wie mein Tabak im Pfarrsaal. Dabei hatten die modernen Piraten solch lustige Ideen! „Religion ist Privatsache", haben sie auf ihre Plakaten geschrieben. Nun sind sie selber zur Privatsache geworden. Jetzt werden sie nicht den Bundestag entern können, sondern müssen auf ihren Computern die Enter-Taste drücken, wenn sie in ihren dunklen, ungemütlichen und verrauchten Junggesellenbuden den ganzen Tag lang blass in ihre flimmernden Bildschirme sehen. Doch es gibt noch einen Ort, den die Piraten nicht nur virtuell sondern real tyrannisieren können: Berlin-Kreuzberg. Dort haben sie für ohnmächtiges Staunen gesorgt: mit ihrer Forderung, das Weihnachtsfest religionsneutral als Winterfest zu etablieren. Irgendwie gab es das schon mal bei den Kommunisten, als Engel „Jahresendflügelfiguren" heißen mussten. Doch das können die Piraten nicht wissen. Denn damals sind sie noch mit ihrer Trommel um den Weihnachtsbaum gerannt. O, Entschuldigung: ich meine natürlich den Winterbaum. Wie soll ich jetzt eigentlich die Kirche religionsneutral bezeichnen, liebe Piraten? Etwa „Turmhaus" oder lieber „Kreuzhaus"? Nein, Kreuzhaus ist blöd. Denn das Wort Kreuz könnte man ja noch mit Jesus Christus zusammenbringen und so wäre die Neutralität nicht gewahrt. Ich sollte es lieber „Balken-längs-Balken-quer-Haus" nennen. Ja, das ist besser. Also neulich saß ich wieder in solch einem „Balken-längs-Balken-quer-Haus" und der Pfarrer (nein, ich sollte lieber religionsneutral sagen: der „Verkleidete") las die Langfassung des Evangeliums (also des Textes) „Vom verlorenen Sohn". Ja, der (religionsneutral gesprochen) „Lesende" hatte tatsächlich die Wahl gehabt zwischen Lang- und Kurzfassung. In St. Antonius kann man noch die Langfassung hören. Dort bekommt man für seine Kirchensteuer (also seine „Balken-längs-Balken-quer-Abgabe") keine zusammengekürzte Hl. Messe (Veranstaltung) sondern das volle Programm. Langsam scheine ich mich an das religionsneutrale Deutsch zu gewöhnen. Es ist eben nur eine Frage des Willens! Doch will ich überhaupt, dass die Kreuzberger Lokalpolitiker ihre Gott-Phobie durch Verdrängung kurieren wollen? Da ist eigentlich eine Konfrontationstherapie (ich stelle mich der Angst, statt sie zu verdrängen) indiziert. Jedenfalls ging es um den „verlorenen Sohn". Wir kennen ja die Geschichte: Sohn nimmt Erbe des Vaters, verprasst alles, bekommt Hunger, erinnert sich an Papas gemütlichen Esstisch, geht zurück, Papa freut sich, schlachtet sein Kalb, der nicht verloren gegangene Bruder ist sauer, weil Papa für den zurückgekommenen Taugenichts das Familientier geschlachtet hat. Tja, da hat eben der Immer-da-Bruder einfach mal Pech gehabt, dass das Mittelstands-Besitzstands-Denken seiner Krämerseele vom Vater abgewählt wurde, genauso, wie die FDP. Mensch, hätte doch der Immer-da-Bruder wenigstens ein Hotel gehabt, statt die Beine gemütlich unter Papas Tisch zu stellen. Dann wäre ihm von der Klientelpartei FDP wenigstens die Hotelsteuer gesenkt worden. Doch nun sind beide weg vom fetten Braten: der nicht verlorengegangene Bruder und die FDP. Abgewählt. Glück dagegen hatte der jüngere Bruder. Er wurde nicht nur mit offenen Armen empfangen wurde, sondern durfte auch das Kalb essen. Ja, damals gab es die Grünen noch nicht, die unserem Volk einen fleischfreien Kantinen-Tag pro Woche verordnen wollen, weil sie ja gegen die Massentierhaltung sind. Doch warum darf man einen Tag lang kein Fleisch essen? Normalerweise müssten die Grünen sagen: esst mehr Fleisch pro Tag, damit die Tiere in den Ställen weniger werden. Denn wird weniger Fleisch gegessen, werden weniger Tiere geschlachtet: heißt, Massen von Tieren bleiben einfach in ihren Ställen stehen, weil es grünenpolitisch unkorrekt wäre, sie zu essen. Schlimmer noch, die Kühe furzen und rülpsen vor sich hin und tragen zur Erhöhung des CO2-Ausstoßes bei. In der Konsequent ist ein fleischfreier Tag also nicht nur massentierhaltungsfreundlich, sondern auch klimaschädlich. Doch stehen die Grünen wirklich für einen erhöhten CO2-Ausstoß durch Massentierhaltung? Da ist es mir schon lieber, wenn der Vater das Kalb für den verlorenen Sohn schlachtet, obwohl FDP-immer-da-Bruder seine Mittelstandspfründe schwinden sieht.
Aber sicher verstehe ich nur die Zusammenhänge nicht richtig; genauso, wie der Wähler, der deshalb sein Kreuz (nein: religionsneutral gesprochen: seine Balken-längs-Balken-quer-Illustration) an den Grünen vorbei gemacht hat. Doch noch weniger Balken-längs-Balken-quer-Illustration haben nun die Piraten. Schade, tschüss Bundestag. Ich hätte für sie aber eine sehr lohnende Aufgabe. Wenn die Piraten ihre Gott-Phobie lieber durch Verdrängung, als durch Konfrontationstherapie lösen möchten: hier sind ein paar Wörter, die leider bis jetzt nicht religionsneutral, also noch böse sind: Kreuzung, Kreuzverhör, seelenruhig, paradiesisch, Andreaskreuz (Verkehrszeichen), Gottesauge (Pflanze), ein Testament aufsetzen (Erbrecht), Wertschöpfung, Leo Kirch (Medienunternehmer), Gottfried (Vorname), Christine (Vorname), Drehkreuz, Deutsches Rotes Kreuz, Kreuzfahrtschiff … und jetzt kommt das Beste: Berlin-KREUZberg.