Röm.-kath. Pfarrei Hl. Mutter Teresa Chemnitz
Gemeinde St. Antonius
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Kreuz
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Pater Johannes Schreml SDB (* 1940   + 2022) begleitete unsere Gemeinde von 1997 bis 2003 - zuerst als Seelsorger, dann als Pfarrer. Außerdem engagierte er sich seit vielen Jahren in der Gemeinschaft "Marriage Encounter". Das ist eine in der katholischen Kirche angesiedelte überkonfessionelle Gemeinschaft. Die Mitglieder bemühen sich in ihrem täglichen Leben, das Ja zum Partner bzw. zur Kirche und zu Gott lebendig zu halten. Den folgende Artikel veröffentlichte Pater Johannes Schreml für die ME-Gemeinschaft, doch er trifft genauso für andere Gemeinschaften (in der Kirche) zu. Dank seiner freundlichen Genehmigung darf dieser Artikel auf unserer Homepage verwendet werden.
 
 
Ich glaube an deine Liebe
 
Eine Geschichte asiatischer Weisheit: Da war ein Mann, den ängstigte der Anblick des eigenen Schattens. So sprach er zu sich: "Ich laufe ihm einfach davon." Also stand er auf und lief davon. Der Schatten aber folgte ihm mühelos. Er sagte zu sich: "Ich muss schneller laufen." Also lief er schneller und schneller. Er lief, bis er tot zusammen sank. Hätte er sich unter den Schatten eines Baumes gestellt, wäre er seinen eigenen Schatten los geworden. Aber darauf kam er nicht.
Mit dem eigenen Schatten (z.B. Unvollkommenheiten, Fehlern, Sünden, Begrenztheiten) und auch mit dem, was andere einem an Verletzungen, Demütigungen, Ungerechtigkeiten zugefügt haben, versöhnend und vergebend umzugehen, ist für jede Gemeinschaft lebensnotwendig. Unversöhnte, verletzte Menschen bringen verletzende Handlungen hervor. Auf länger hin kann sich da eine Spirale des Unheils entwickeln, die Herz, Gemüt und Geist verdunkelt. Vergebung durchbricht diesen Teufelskreis, so dass Beziehungen nicht zerstört werden.
Es gibt auch verwirrte und verdunkelte Situationen für Ehepaare und auch für Priester, die diese nicht alleine bewältigen können. Ich selber habe mir öfter Hilfe geholt sowohl bei einem Priester als auch bei einem Ehepaar. Im Nachhinein bedauerte ich es, wenn ich zu lange gezögert hatte. Hilfe muss man wollen.
Ein Ehepartner erzählte mir seine Situation und meinte: "Ich kenn mich nicht mehr aus, was bei uns täglich abgeht. Jeder Versuch, etwas in unserer Beziehung zu klären, verschlimmert alles nur. Mir kommt es vor, als würde ich in ein dunkleres Loch schauen. Ich fühle mich wie gelähmt."
Ich hab ihm sehr lange zugehört und ihn dann gefragt, ob ich (als Priester) für ihn beten darf, um ihn mit Gottes Hilfe aus dieser Dunkelheit und Trostlosigkeit herauszulösen. Für ihn war das ein ganz entscheidender Schritt. Er konnte wieder tief durchatmen und sein Herz wurde freier und er spürte wieder Kraft in sich für die Schritte der Versöhnung, wie er sagte. Es war notwendig, sich Hilfe zu holen, um die geknebelte Sehnsucht nach Liebe und Annahme freizulegen. Ich durfte wiederholt so eine tiefe Erfahrung machen. Auch umgekehrt konnte ich die Wirkkraft des Gebetes von Ehepaaren erleben.
Bei den alltäglichen Verletzungen und Krän­kungen, die nicht nur in der Ehe, sondern in jeder Gemeinschaft geschehen, dürfen wir uns an die Verheißungen Jesu halten: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versam­melt sind, bin ich mitten unter ihnen." (Mt 18,20) Die Zweiheit beim Ehepaar ist gott­gewollt und bei vielen sakramental grund­gelegt, wodurch im versöhnenden und ver­zeihendem Handeln der Ehepartner Gott mitwirkt und darin eine besondere Kraft der Heilung und Vergebung liegt. In ihrem Bemühen um Vergebung und Verzeihen ist Jesu Sehnsucht mit am Werk. Es kann der Glaube an die Liebe des Partners aus dem Geiste Jesu neu gestärkt werden. Verdeut­lichen können wir das in einer Bitte um den Hl. Geist vor dem Bemühen um Versöhnung, das eine tiefe, heilende, gottgeschenkte Wirkung verleihen kann. Oder ein Dank­gebet nach der Versöhnung könnte die Ver­gebungsbereitschaft grundsätzlich geistlich stärken. Im Ehepaar liegt eine besondere Kraft der Heilung und Versöhnung.
Ich möchte auf das Bild am Anfang zurück­kommen: Der Baum mit seinem aufneh­menden Schatten ist für mich der Baum des Kreuzes, von dem sich ein Strom erlösender Liebe ausbreitet. Jesus hat Frieden gestiftet am Kreuz durch sein Blut (Kol. 1,20). Da dür­fen wir eintauchen mit allen unseren Ver­letzungen und uns verwandeln lassen. Hat uns doch Jesus seine Liebe in seiner Hin­gabe am Kreuz bis zur äußersten Konse­quenz offenbart. Wir glauben doch, dass Gott die Liebe ist. Welch unbeschreibbar großes Versöhnungs- und Beziehungs­potential liegt da bereit. Wir sollten die Chance nützen, davon immer wieder zu schöpfen. Aufeinander Zugehen, sich versöhnen und vergeben geschieht nicht ohne unser menschliches Wollen und Handeln. Wo menschliches Handeln Gott einbezieht, kann eine tiefere Vertrauensbasis wachsen. Wir müssen das Unsrige tun und Gott tun lassen, was nur er tun kann mit unserer Ein­willigung und was er auch liebend gern tun will.
Wer den Kreuzesbaum als Schattenspender der göttlichen Liebe nicht nötig zu haben scheint, vergibt sich in der Beziehung zum anderen und sich selbst gegenüber eine große Chance. In der Entscheidung zur Liebe liegt auch die Entscheidung, verletz­bar zu sein. Wie sollte uns Gottes Liebe da nicht ein "Heilmittel" anbieten. Meiner Er­fahrung nach ist die wahrhafte, vertrauens­voll gelebte Beziehung zu sich, zum anderen und zu Gott ein ständiger Weg in der Liebe zu wachsen mit den konkreten Schritten der Vergebung und Versöhnung. Sensibel werden und bleiben gegenüber sich selbst, gegenüber dem anderen und gegenüber Gott ist eine gute Basis.
 
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift "Marriage Encounter" Ausgabe 4/2009 erschienen